Dissertations- und Habilitationsprojekte
Laufende Dissertationsprojekte
Hartmut Grabst
Die Rezeption des Proslogion-Arguments und der darüber geführten Kontroverse zwischen Anselm von Canterbury und Gaunilo von Marmoutiers in der Philosophie/Theologie des 13. und 14. Jahrhunderts
Im Jahre 1909 veröffentlichte A. Daniels seine Quellenbeiträge und Untersuchungen zur Geschichte der Gottesbeweise im dreizehnten Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung des Arguments im Proslogion des Hl. Anselm. Die darin zusammengestellten Quellen zeigen, dass dieses Argument keineswegs erst seit Descartes rezipiert worden ist, doch gehen sie zeitlich nicht über das Ende des 13. Jahrhunderts hinaus. Zudem verzichtet Daniels auf eine inhaltliche Analyse der Rezeption.
Auf eine inhaltliche Analyse der Rezeption richtet sich der Fokus des Dissertationsprojekts. Es will aufzeigen, wie diverse Rezipienten des 13. und 14. Jahrhunderts im Kontext bestimmter Fragestellungen und Problemzusammenhänge ihr Verständnis des Arguments entwickeln. Hierzu wird zu untersuchen sein, welche Rolle das Argument in welchen Kontexten übernehmen soll und auf welche Weise diese Rolle sein Verständnis bestimmt.
Eine solche Analyse eröffnet die Möglichkeit, Zusammenhänge zwischen bestimmten Weisen der Deutung des Arguments und bestimmten Fragen und Problemen zu entdecken, deren Beantwortung bzw. Lösung zu einer bestimmten Zeit das Interesse der Philosophen/Theologen auf sich gezogen haben.
Unterschiedliche Deutungen des unum argumentum Anselms lassen sich dann als Konsequenz der Rolle verstehen, die es bei den Antworten und Problemlösungen der Rezipienten übernehmen soll. Und die Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz des Arguments auf Seiten der Rezipienten erklärt sich dann aus ihrer unterschiedlichen Auffassung darüber, ob es die ihm gemäß seiner Deutung zugedachte Rolle übernehmen kann oder nicht. Sieht man von einer expliziten Zustimmung oder Ablehnung ab, so kann die Integration der Deutung des Arguments in die Problemlösung eines Rezipienten als Ausdruck seiner Akzeptanz, eine von der Deutung des Arguments unabhängige Problemlösung eines Rezipienten hingegen als Ausdruck seiner Nicht-Akzeptanz gedeutet werden.
Kathrin Ritzka
Trost: Eine literarisch-theologische Untersuchung
Trost bezeichnet eine Linderung von Schmerz, die das zugrundeliegende Übel nicht eliminiert, aber das Leiden an ihm aufhebt. Bei Trost handelt es sich um ein Zentralmotiv der christlichen Religion, das nicht nur in den biblischen Schriften, sondern auch in der christlichen Tradition vielfältige Verarbeitung und Reflexion erfährt. Seit geraumer Zeit lassen sich Tendenzen einer Devaluation des Trostbegriffs beobachten, die sich in unterschiedlich akzentuierten Trostkritiken widerspiegeln und sich darüber hinaus in semantischen Verschiebungen niederschlagen. Diese Abwertungen betreffen nicht nur christliche oder religiöse Vorstellungen von Trost, sondern richten sich allgemein gegen das Konzept. Im Forschungsprojekt geht es darum, in Auseinandersetzung mit trostkritischen Einwänden ein funktionsfähiges Verständnis von Trost fundamentaltheologisch zu plausibilisieren. Aufschluss darüber soll zunächst eine Untersuchung ausgewählter (gegenwarts-)literarischer Texte geben. In ihnen wird Trostkritik geäußert, dennoch beinhalten sie an der Kritik orientierte Ansätze von Trostangeboten und Tröstungen. Die Spannung, die in diesem Umschlag zwischen Trostkritik und positiver Auseinandersetzung mit Trost auf inhaltlicher und formaler Ebene wirksam wird, soll in einem zweiten Schritt für das theologische Nachdenken über (religiöse) Trostformen fruchtbar gemacht werden.
Jonas Schulte-Eickholt
Pneumatologie im 21. Jahrhundert – Ein ortloser Traktat?
Eine Beobachtung zweiter Ordnung
Erkennbar gibt es eine Vielzahl pneumatologischer Ansätze. Dabei scheinen sie sich aufgrund verschiedener Faktoren und hinsichtlich verschiedener Kriterien deutlich voneinander zu unterscheiden. Als Pneumatologie weisen sie eigentlich denselben Gegenstand der Betrachtung auf und dennoch erscheinen die Unterschiede groß; so groß, dass die verschiedenen Ansätze zuweilen disparat wirken. Das wirft die Fragen auf: Ist die Pneumatologie als Traktat ortlos geworden? Wird nicht unter der Annahme desselben Gegenstandes etwas völlig Verschiedenes verhandelt? Wie lassen sich dann, wenn das zutreffend ist, diese Ansätze in ein produktives Gespräch bringen?
Es erscheint sinnvoll, ausgewählte, als paradigmatisch angesehene Pneumatologien anhand einer zu entwickelnden Kriteriologie im Sinne einer Betrachtung zweiter Ordnung auf methodische und systematische Entscheidungen, auf ihr Problembewusstsein sowie auf ihre Struktur und Funktion hin zu untersuchen und so Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Eine entsprechende Rekonstruktions- und Analyseleistung soll helfen die aktuelle Situation theologischer Pneumatologie besser verstehen zu können und sich vor einer Ab- oder Aufblendung hinsichtlich des eigenen systematischen Ansatzes der ihr zugrundliegenden Strukturen bewusst zu werden. Denn – so die Annahme des Autors – nur wenn ein Wissen um diese Unterschiede der entsprechenden Pneumatologien im Hinblick auf ihre jeweilige Struktur und Funktion besteht, kann die weitere Debatte sinnvoll geführt werden.
Thomas Sunderkamp
Die Gestalt des Logos
Ein Beitrag zur altkirchlichen Christologie des Nestorius und ihre Resonanz im Gestaltbegriff bei Hans Urs von Balthasar
Die in vier Teilen konzipierte Arbeit bemüht sich zunächst um eine ausgewogene Rekonstruktion der dogmengeschichtlichen Entwicklungen bis hin zum Konzil von Ephesus, wobei hier der Fokus des erkenntnisleitenden Interesses immer auf dem christologischen Entwurf des Nestorius liegt.
Im zweiten Teil wird dieser Entwurf auf seine denkerische Belastbarkeit überprüft, indem er sich kontrastierend zum kirchlich orthodoxen an eben diesem bewähren muss und im Kontext des Konzils von Chalcedon seine orthodoxe Legitimation erfährt.
Im dritten Teil dieser Arbeit wird der Versuch unternommen, innerhalb der dogmengeschichtlichen Bewertungsgeschichte der Christologie des Nestorius in der Moderne zu einer notwendigen Neubewertung zu gelangen. Von zentraler Bedeutung wird sich der hier neu eingeführte Begriff einer ‚Antiochenische Intuition‘ im Hinblick auf die von Alois Grillmeier formulierte ‚Alexandrinische‘ erweisen, wobei weniger die entgegengesetzten, als vielmehr die integrativen Momente beider Intuitionen in ihrem gemeinsamen Potential beleuchtet werden.
Im letzten Teil der Arbeit wird genau dieses Potential im Gestaltbegriff von Hans Urs von Balthasar als Beleg für ein modern christologisches Denken aufgegriffen, das ohne direkte Verweise auf Nestorius selbst konsequent darum ringt, dessen Ansatz christologische Gestalt zu geben.
Matija Vudjan
Katholische Ekklesiologie als kirchliche Institutionentheorie?
Das Dissertationsprojekt verfolgt das Ziel, angesichts der fortschreitenden De-Institutionalisierung von Gesellschaft(en) und Kirche, die sich bisweilen in einem „anti-institutionellen Affekt“ niederschlägt, der Frage nach dem Wert des Institutionellen für die katholische Ekklesiologie nachzugehen. In dieser Hinsicht ist das Projekt in zwei – binnentheologischen sowie an den gesellschaftlichen Entwicklungen orientierten – Schritten konzipiert:
Zunächst und erstens soll nachgezeichnet werden, inwieweit sich die theologische Auseinandersetzung mit der Institutionentheorie seit dem II. Vatikanum gewandelt hat: Nötig ist in dabei (1) eine Bestandsaufnahme der dogmatischen Debattenlage der jüngeren Vergangenheit mit Blick auf die Frage nach der (nicht-)Verwendung des Institutionenbegriffes in verschiedenen ekklesiologischen Entwürfen. Darüber hinaus (2) ist in binnentheologischer Absicht ein Blick in den pastoraltheologischen Diskurs erforderlich: Mit (1) vergleichbare Debatten werden hier, mit allen Vor- und Nachteilen, v.a. vermittels des Organisationsbegriffes geführt. Schließlich (3) erfordert das Projekt eine Rezeption neuerer institutionentheoretischer Erkenntnisse insb. aus den Sozialwissenschaften. Auf diesem Fundament soll zweitens eine theologische Institutionentheorie entfaltet werden, in der die Kirche qua ihrer Institutionalität als ein Ermöglichungsgrund von (subjektiver, intersubjektiver, kollektiver etc.) Freiheit identifiziert wird.
Lena Widera
Rezeption in Konstellation – Fallstudien zu einer Neubestimmung des jüdisch-christlichen Verhältnisses nach Nostra Aetate
Ausgehend von der Forderung Erich Zengers (1991) nach einer „Totalrevision“ in allen Bereichen der katholischen Theologie, in denen jüdisch-christliche Fragestellungen tangiert werden, beschäftigt sich das Dissertationsprojekt mit drei nachkonziliaren Debattenkonstellationen, in denen Nostra Aetate 4 rezipiert und das jüdisch-christliche Verhältnis reflektiert wurde. Drei paradigmatische Konstellationen werden hierfür in folgenden Bereichen ausgewählt: (I) Bibelhermeneutik zum Alten Testament, (II) Christologie und Soteriologie und (III) Ekklesiologisch-Institutionell (Katholische Kirche und jüdisch-christlicher Dialog).
Die Arbeit ist ein Zusammenspiel von historischen und systematischen Frageaspekten, was durch die ausgewählte Methodik der Konstellationsforschung und der Historischen Diskursanalyse unterstrichen wird: Mit Hilfe dieses methodischen Vorgehens sollen die Debattenkonstellationen in ihre jeweiligen zeithistorischen und kirchlich-gesellschaftlichen Kontexte eingeordnet und mit einem besonderen Augenmerk auf die beteiligten Akteure der Debatten untersucht werden. Inwieweit lässt sich – vorangetrieben durch die Akteure und deren motivationalen Faktoren – in den Konstellationen ein Bewusstsein für eine Totalrevision als eine intrinsisch theologische Voraussetzung für eine Neubestimmung des jüdisch-christlichen Verhältnisses nach NA 4 entdecken? Die Strukturen für eine (nachhaltige) Umsetzung sollen aufgedeckt und in Form eines Ausblicks aktuelle Diskussions- und Problemfelder des jüdisch-christlichen Dialogs aufgezeigt werden.
Laufende Habilitationsprojekte
Dr. Jonas Maria Hoff
Paradoxale Grammatik des christlichen Glaubens – Studien zur Sakramententheologie
Der christliche Glaube ist von Paradoxien durchzogen: von der Inkarnation, über die Jungfrauengeburt bis zur Auferstehung. Überall begegnen Denkfiguren, die „den Geist erst einmal richtig schütteln“ (H. de Lubac). Diese Beobachtung ist der Theologie nicht fremd. Was allerdings fehlt, ist eine präzise dogmengeschichtliche Rekonstruktion am historischen Material. Konkret bedeutet dies, dass die systematische These von einer paradoxalen Grammatik des christlichen Glaubens historisch angelegt werden muss. Genau dies versucht das Projekt. Es konzentriert sich dabei auf die Sakramententheologie, weil die Verschränkung von Sichtbarem und Unsichtbarem, Endlichem und Unendlichem, oder formalisiert: von Immanenz und Transzendenz hier besonders greifbar wird. Brot und Wein werden in der Eucharistiefeier schließlich nicht mehr bloß als solche behandelt, sondern als Leib und Blut Christi konfiguriert. Damit ist eine theologische Überdeterminierung der empirischen Seite des Sakraments verbunden, die die Frage nach dem Wie göttlicher Präsenz aufwirft. Innerhalb des Projekts soll diese Frage nun nicht nur auf einer abstrakt-systematischen Ebene behandelt, sondern vielmehr in die Analyse der theologiegeschichtlichen Entwicklung der Sakramentenlehre hineinverlegt werden. Ein besonderer Fokus wird auf den vielfältigen Konflikten innerhalb dieser Entwicklung liegen. Die Paradoxalität soll dabei als mögliches Deutungsangebot eingespielt und ausführlich mit alternativen Interpretationen in Verbindung gebracht werden. Erst vor diesem Hintergrund wird dann eine Systematisierung erfolgen, die verschiedene Desiderate der theologischen Paradoxien-Bearbeitung ausräumen soll. Dies bezieht sich etwa auf die Frage nach den gesamttheologischen Konsequenzen einer Hinwendung zur Paradoxie und die unterschiedlichen kritischen Einwände.
Dr. Bruno Hünerfeld
Die Theologie des Priesteramtes bei Pierre de Bérulle (1575-1629).
Paradigmatische Untersuchung einer Amtstheologie angesichts veränderter, spezifisch neuzeitlicher Bedingungen.
Die Theologie der frühen Neuzeit stand unter vielfachen Herausforderungen. Die durch die Reformation bewirkte konfessionelle Spaltung der Westkirche, die hereinbrechende Säkularisierung und die philosophische Wende zum Subjekt verursachten eine Plausibilitätskrise katholischen Selbstverständnisses.
Das vorliegende Forschungsprojekt „Theologie des Priesteramtes bei Pierre de Bérulle“ untersucht paradigmatisch wie angesichts dieser spezifisch neuzeitlichen Verschiebungen die Theologie vom Priesteramt reformuliert wird. Bérulles Schriften erscheinen deswegen lohnenswert, da aus dem von ihm gegründeten Oratorium später die Sulpizianer hervorgingen, die sich der Ausbildung des Weltklerus verpflichteten. Sowohl das lange Zeit dominierende priesterliche Leitmodell des ‚bon prêtre‘ wie auch die Bewegung der Arbeiterpriester im 20. Jahrhundert sind ohne den Verweis auf Bérulle nicht zu verstehen, der ein theozentrisches Priesterbild mit einer auf die Amtstheologie übertragene Inkarnationstheologie verbindet.
Dieses Forschungsprojekt untersucht in einem horizontalen Querschnitt die kirchlichen, soziologischen, politischen, theologischen und philosophischen Herausforderungen für eine Theologie des Priesteramtes zu Beginn des 17. Jh., um dann die Theologie Bérulles als Antwort auf diese Problemlagen zu entfalten. Am Ende gilt es zu prüfen, ob der bérullsche Ansatz, der wesentlich auf der Hierarchielehre des Pseudo-Dionysius und einer an der mittelalterlichen Subsistenzlehre entlehnten priesterlichen Spiritualitätsform rekurriert, tatsächlich angesichts der neuzeitlichen Anfragen bestehen kann oder nicht eher gar die Diastase zwischen Amtstheologie und gegenwärtigen theologischen und philosophischen Anfragen verstärkt.
Dr. Stephan Plettscher
Gottes Wirklichkeit denken – das philosophische Prinzip hinter dem Gottesgedanken
Ausgangspunkt der Arbeit ist die Frage nach dem philosophischen Prinzip eines dogmatischen Entwurfs. Dieses soll anhand der Einführung des Gottesbegriffes und der damit verbundenen anthropologischen Voraussetzungen herausgearbeitet und auf seine Tragfähigkeit und Stringenz innerhalb des jeweiligen Entwurfs hin befragt werden. Exemplarisch wird dazu der Entwurf von Wolfhart Pannenberg herangezogen. In seinem Entwurf legt er sehr dezidiert Rechenschaft über ihre theologische Vorgehensweise ab, so dass eine durchgehende Stringenz des philosophischen Prinzips angenommen werden kann. In einem zweiten Schritt wird dann zu überprüfen sein, welche Vor- oder Nachteile das jeweilige Prinzip aufweist. Auch wenn kein philosophisches Prinzip in der Lage ist die Wirklichkeit Gottes gänzlich auszudrücken, so kann dennoch ein philosophisches Prinzip zu einer bestimmten Zeit geeigneter sein als ein anderes.
Dr. Sarah Rosenhauer
Pneumatischer Materialismus.
Grundlegung einer materialistischen Theorie des Heiligen Geistes
Eine Errungenschaft der Moderne ist es, Religion mit der Forderung der Freiheit zu konfrontieren. Dies ist von gesellschaftlicher wie theologischer Relevanz, denn nur wenn eine Religion Wert und Geltung menschlicher Freiheit aus ihren eigenen normativen Grundlagen heraus begründen kann, kann sie eine freiheitliche Gesellschaftsordnung mittragen aber auch in ihren Verkürzungen kritisieren. Das vorliegende Projekt hat das Ziel, eine solche Begründungsreflexion im Rahmen christlicher Gottesvorstellung zu entwickeln.
Die Herausforderung liegt dabei darin, sowohl die für das moderne Freiheitsbewusstsein zentrale Unbedingtheit der Freiheit zu achten als auch die Wirksamkeit Gottes im Inneren menschlicher Freiheit, wie sie vor allem in der Pneumatologie thematisiert wird, zu denken. Zugleich weitet die Pneumatologie das freiheitstheoretische Problem auf seine ontologischen und trinitätstheologischen Implikationen aus, indem sie fordert, Gott als der Welt gegenüber transzendent und ihr zugleich immanent und Gott in sich zugleich als Person und als Relation zu denken.
Diesen Herausforderungen will das Projekt begegnen, indem es das stark durch die Entgegensetzung von Differenz- und Einheitsmodellen des Gott-Mensch-, Gott-Welt- und Gott-Gott-Verhältnisses geprägte Theoriesetting der derzeitigen theologischen Debatte um eine vermittelnde geisttheoretische Position ergänzt. Eine solche liefern die materialistischen Freiheitstheorien Ch. Menkes und E. L. Santners, die im Ausgang einer materialistischen Lektüre des Geistbegriffs Hegels und psychoanalytischen und biopolitischen Theorien der Subjektivierung ein Freiheitskonzept entwickeln, das Freiheit nicht primär in Autonomie, sondern in der Überschüssigkeit des Menschen gegenüber biologischer Natur und sozial formierter Geistigkeit begründet. Dies verbinden sie mit einer prozessual-dialektischen Figur der Befreiung: Es ist ein Ereignis der Anrede, das das Subjekt zu seiner Überschüssigkeit befreit, indem es ihm seine retroaktive Selbstsetzung ermöglicht. Damit liefern sie einen Begriff von Freiheit, der ihre Unbedingtheit durch den Akt der Selbstsetzung ebenso denkbar macht wie ihre Ermöglichtheit durch ein ihr innerliches Wirken, das dennoch nicht ihr autonomes ist.
Ziel des Projektes ist es, die Freiheitstheorie Menkes und Santners als Basis zur Grundlegung einer materialistischen Pneumatologie zu erschließen, indem sie zu einer politischen Ontologie der Negativität und einer negativistischen Gotteslehre ausgeweitet wird. Auf dieser Grundlage sollen Grundlinien einer materialistischen Pneumatologie erarbeitet und für die freiheitstheoretische, ontologische und trinitätstheologische Herausforderung der Pneumatologie fruchtbar gemacht werden, indem die spezifische Materialität von Freiheit als freisetzendes Wirken des göttlichen Geistes verstanden wird, so dass Gott nicht als Negation menschlicher Freiheit, sondern als der sie freisetzende Grund bestimmbar wird.
Dr. Tobias Schulte
„Wo Gott ist, da ist Zukunft …?“ Geschichtstheologie vor dem Horizont der Moderne
Vor dem Hintergrund explizit neuzeitlicher Signaturen, die sich insbesondere in der Erfahrung einer radikalen Kontingenz und einer großen „Gegenwärtigkeit“ äußern, soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Möglichkeit einer geschichtstheologischen Interpretation von Geschichte gegeben ist. Konkret geht es um die Frage, wie ein bleibender Bezug Gottes auf die menschliche Freiheitsgeschichte angenommen werden kann.
In einem ersten Schritt werden Überlegungen zum Geschichtsbegriff vorgenommen, um diesen inhaltlich näher zu bestimmen. Hierunter ist auch die Frage zu subsumieren, inwiefern die veränderte Erfahrung von Zeit Folgen für den Geschichtsbegriff zeitigt.
Vor diesem Hintergrund können dann die dezidiert theologischen Fragen angegangen werden. Die bleibende Herausforderung für eine Geschichtstheologie dürfte in der Tatsache liegen, dass die Frage nach der Realität Gottes in der Welt zunehmend schwieriger wird. Ursächlich begründet liegt dies in der „Funktionslosigkeit“ Gottes in Bezug auf die Erklärung der Welt. W. Pannenberg macht hierfür u.a. die in seinen Augen einseitige Entwicklung der christlichen Erwählungslehre verantwortlich. Dieser Gedanke soll als Ausgangspunkt gewählt werden, um nach Denkformen Ausschau zu halten, vermittels derer das Erkenntnisziel der Studien einer Antwort zugeführt werden kann.